Was Kinder bewegt, wenn ein Familienmitglied krank ist – und wie kreative Räume entlasten

Wenn in einer Familie ein Mitglied erkrankt, sei es körperlich, psychisch oder durch eine Suchterkrankung, betrifft das nie nur die betroffene Person. Auch die Kinder sind unmittelbar mitbetroffen. Sie nehmen Spannungen, Ängste und Veränderungen im Alltag feinfühlig wahr und sie tragen oft mehr, als man ihnen zutraut oder zutrauen möchte.

Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist bekannt, dass Kinder in solchen Situationen häufig in eine Art „Rollenverschiebung“ geraten: Sie übernehmen Verantwortung, ziehen sich zurück, funktionieren. Manche Kinder zeigen Ängstlichkeit oder Gereiztheit, andere flüchten sich in Medienwelten, Gaming oder ständige Ablenkung – eine Erfahrung, die ich selbst während meiner eigenen Krebserkrankung bei meinen Kindern gemacht habe. Die Konsole oder das Tablet wurde zum Rückzugsort, weil dort die Welt überschaubar und steuerbar war, während im echten Leben alles durcheinander geriet.

Auch wenn die akute Krise überstanden ist, zeigt sich oft erst später, wie sehr die Kinder belastet waren. Manche entwickeln anhaltende Sorgen („Was, wenn die Krankheit zurückkommt?“), andere tun sich schwer, Vertrauen in Stabilität zu fassen. Typisch sind zum Beispiel Schlafschwierigkeiten, erhöhte Sensibilität oder auch ein übermäßiger Drang, alles unter Kontrolle zu behalten. Entwicklungspsychologisch betrachtet sind dies Versuche, Unsicherheit und Ohnmacht zu kompensieren.

Genau diese Erfahrungen waren für mich der Anstoß, Crafti – Die KreativWerkstatt ins Leben zu rufen: einen Raum, in dem Kinder nicht ‚funktionieren‘ müssen, sondern ausprobieren, loslassen und einfach Kind sein dürfen

Crafti ist kein klassischer Kunstkurs, sondern ein geschützter Raum für Kinder, die oft viel mehr mittragen, als sie sollten. Hier wird Kreativität zur Kraftquelle. Über Malen, Collagieren, Schreiben oder Gestalten bekommen Kinder die Möglichkeit, Gefühle auszudrücken, die sich in Worten nur schwer greifen lassen. Im Rahmen von acht Einheiten à 1,5 Stunden begleite ich sie dabei – als Diplom-Pädagogin, systemische Beraterin und Kreativcoach.

Ein Kind sagte am Ende des Kurszyklus:
„Ich habe viel über Kunst gelernt – aber durch das Malen, das Schreiben und das Reden hier bei Crafti auch über mich.“
Ein anderes Kind meinte nachdenklich:
„Hier ist es wie im Leben. Auf dem Bild kann ich mich entscheiden – und im echten Leben kann ich auch entscheiden, wie ich es mir gestalte.“

Diese Sätze zeigen, was Crafti leistet: Es ist ein Ort, an dem Kinder Selbstwirksamkeit erfahren – eine der wichtigsten Ressourcen, um Krisen gesund zu verarbeiten.

Entwicklungspsychologisch betrachtet, ist genau das entscheidend: Kinder lernen, dass ihre Gefühle Platz haben dürfen, dass sie gestalten können und dass sie mehr sind als „die Tochter mit der kranken Mama“ oder „der Sohn mit dem kranken Opa“. Sie erleben Gemeinschaft mit anderen Kindern, die Ähnliches kennen, und erfahren so: Ich bin nicht allein.

Die Rückmeldungen der Eltern bestätigen das. Viele berichten, dass ihre Kinder nach dem Kurs entspannter, selbstsicherer und ausgeglichener waren.

Ein Mädchen brachte es so auf den Punkt:
„Ich will einfach, dass meine Mama gesund wird.“
Solche Sätze zeigen, wie tief die Sorgen gehen – und wie wichtig es ist, ihnen einen Ausdruck zu geben.

Donnerstage wurden für viele Kinder im Kurs schnell zu echten Krafttagen:
„Donnerstage sind meine liebsten Tage, denn da ist Crafti-Tag.“

Warum ist Kreativität so wichtig in der Krisenbewältigung von Kindern?
Weil sie ein Zugang ist, der über das reine „Reden“ hinausgeht. Kinder können mit Farben, Formen und Fantasie ausdrücken, was in ihnen arbeitet – ohne Angst, bewertet zu werden. Dabei stärken sie ihre Selbstwirksamkeit, Resilienz und emotionale Regulation. Pädagogisch gesprochen: Sie erleben, dass sie Einfluss nehmen können – auf das Bild, auf ihr Werk, und in kleinen Schritten auch auf ihr Leben.

Bei Crafti machen Kinder Erfahrungen, die sie stark machen. Crafti zeigt sich als voller Erfolg – nicht nur wegen der entstandenen Kunstwerke, sondern wegen der leuchtenden Augen, der stillen Erleichterung und der sichtbaren Stärke, die die Kinder mit nach Hause nehmen.
Dank der Unterstützung der Caritas Aschaffenburg und der Glattbacher Stiftung ist es möglich, hochwertige Materialien und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu bieten. Crafti findet in den Räumen der Erziehungsberatungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern für den Landkreis Aschaffenburg, Schloßberg 4, 63739 Aschaffenburg, statt. Für Fragen oder eine Anmeldung erreichen Sie die Erziehungsberatungsstelle unter Telefon 0 60 21 – 392 301 oder per E-Mail an eb-land@caritas-aschaffenburg.de – oder direkt mich unter 0171 – 15 32 975 bzw. nadine.wottawah@gmx.de.

Der nächste Kurs startet – und die Nachfrage zeigt: Kinder brauchen solche Orte dringend. Orte, an denen sie ausprobieren dürfen, wie bunt, stark und voller Leben sie selbst sind.

Denn wenn ein Kind nach acht Wochen leise sagt:
„Ich bin stolz auf mich – richtig stolz“, dann ist klar: Hier wurde mehr geschaffen als ein Kunstwerk. Hier ist ein Stück Stärke gewachsen.

 

Glattbacher-Stiftung

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